New York City Marathon 2017 - ein Bericht von Peter Ehler

11.11.2017

„Last damn bridge“ und die Herausforderungen des weltgrößten Marathons

Mit Hermann Achmüller über 42,195 Kilometer in New York unterwegs

NEW YORK/BOZEN – „Last damn brigde“ – da ist es wieder das Schild, das mich seit Jahren an die „Leiden“ und Herausforderungen beim New York City Marathon erinnert. Immer dann, wenn es nicht nur durch die fünf beeindruckenden Stadtteile in „Big Apple“ geht, sondern auch über die verdammt hohen und langen Brücken, die der Weltelite wertvolle Sekunden und den ambitionierten Läufern oft leichtfertig gar Minuten kosten.

„Geht den Marathon entspannt an, nehmt euch Zeit, genießt die einmalige Atmosphäre“ – hat Hermann Achmüller gesagt. Ich gebe ihm nach 35 Kilometern recht. Beim Abschnitt 25 hat mich sprichwörtlich der Mann mit dem Hammer erwischt, bei Kilometer 30 schreit mir ein 150 Kilogramm schwerer Koloss im „Gangster-Viertel“ laut „Move, move. Don`t walk in the Bronx“ ins Ohr. Es fehlt nur noch der Blick in den Revolver, ehe auf den letzten vier Kilometern das „Runners High“ mir wieder Kraft entlang der 5th Avenue und dem Central Park verleiht, und bei strömenden Regen weitere hunderttausende fanatische Fans mich und die über 50 000 Läufer anfeuern.

Schon am Start über die längste Hängebrücke Amerikas

Hermann Achmüller, im Südtiroler Pustertal aufgewachsen, kennt den Kurs in und auswendig. 15mal ist er schon am Start in Staaten Island über die Verrazano-Narrows Bringe gelaufen. Dort geht es nach der US-Nationalhymne und dem Startschuss gleich über zwei Kilometer auf den höchsten Punkt und über die längste Hängebrücke Amerikas. Die 42,195 Kilometer lange Strecke führt dann weiter in die Stadtteile Brooklyn, Queens, Manhattan und Harlem, dort wo auch Hermann Achmüller schon Höhen und Tiefen erlebt und im Jahr 2006 mit dem 21. Platz sein bestes New York City Marathon-Ergebnis erzielt hat.

Diesmal begleitet der 46-jährige nicht nur mich und etwa 20 weitere Läufer beim New York City Marathon. Hermann Achmüller ist heuer auch selbst wieder auf eine eindrucksvolle Herausforderung aus. In einem Jahr hat er mit Tokio, London, Boston, Berlin, Chicago und New York alle sechs großen Marathons der „World Marathon Majors“-Serie absolviert. Lebensgefährtin Tiziana Pignatelli ist sogar die erste Frau, die diese Herausforderung in einem Jahr in Angriff genommen hat. Dabei ist der Südtiroler Hermann Achmüller nicht nur Tourguide bei den Marathons, sondern hat wie unlängst in Berlin, mit Anna Hahner als „Hase“ auch die beste deutsche Frau mit Platz fünf ins Ziel gezogen.

Ein Lapsus bedeutet das „Aus“

Gerade die ruhige Art des Pusterers ist es, wenn er den Rookies in der Gruppe die Angst vor dem Laufhöhepunkt des Jahres nimmt und den ambitionierten Teilnehmern noch die letzten Kniffe gibt. Die Marathonreise mit seiner Firma www.runningandmore.it ist bestens organisiert. Sie muss keinen Vergleich scheuen, denn kein europäischer Tourveranstalter darf sich einen Lapsus leisten. Das wäre umgehend das „Aus“, schließlich ist die Traumreise nicht aus dem Taschengeld zu bezahlen. Manche Teilnehmer sparen über Jahre hinweg auf einen Start für den größten Marathon der Welt.

Nach der Ankunft in New York geht es bei Interesse zur Stadtrundfahrt durch die neun Millionen Einwohner große Metropole und anschließend gemeinsam zur Marathon Expo, die Startunterlagen abzuholen. Ein Muss sind die Sehenswürdigkeiten wie etwa die Brooklyn Bridge, ein Bummel über den Times Square, nach China Town, Little Italy und eine Fahrt mit der U-Bahn zum neuen Bahnhof One Word Tower am früheren World Trade Center.

Und selbst das „Last Minute Training“ hat ein gewisses Flair. Kurz nach Sonnenaufgang geht es vom Central Park nahen Hotel auf eine kleine Runde. Das hat zwei Vorteile: Nach der Anreise ist man gleich in der „grünen Lunge“ der Stadt und nach dem Marathon nur wenige hundert Meter nach dem Ziel schnell unter der warmen Dusche.

Hier trainierte Dustin Hoffmann für den „Marathon Man“

Los geht im Central Park an den Strawberry Fields, dem John Lennon Memorial, mit einer gemütlichen Laufrunde zum See, an dem schon Oscar-Gewinner Dustin Hoffmann vor über 40 Jahren für den Hollywood-Klassiker „Marathon Man“ gelaufen ist. Ein Erinnerungsfoto gibt es dann gegenüber dem Dakota-Haus. Hier lebten Judy Garland, John Lennon und Yoko Ono und Sting, heute wohnen dort viele unbekannte Superreiche.

Für die Laufgruppe in ihren einheitlichen Shirts mit der Skyline New Yorks gibt es viel Beifall. Schließlich laufen alle internationalen Gruppen vor dem Marathon einige Kilometer durch den weltberühmten Park und treffen sich am Ziel des Marathons. Mit Hermann Achmüller geht einem dabei nicht immer die Puste aus. Stopp ist diesmal ganz überraschend für die Gruppe um Achmüller, als sie auf Viktor Röthlin trifft und sich so ein schönes Geplänkel entfacht.

Champs treffen sich beim „Last Minute Training“

Der Schweizer Röthlin war Europameister und mit Platz 7 in New York und einige Ränge besser als der Südtiroler Achmüller, der als Sieger des Jungfrau Marathon in der Schweiz, seinem Freund dafür hier um drei Plätze voraus bleibt. Freilich ging es beim spontanen Smalltalk unter den Läufern eher darum, wer in den vergangenen zwölf Monaten im Kampf um die Pfunde bei italienischer Pizza und Pasta oder Schweizer Rösti und Geschnetzeltem erfolgreicher war. Am Ziel kommt dann kurzerhand noch mit Gianni Poli der italienische Marathonsieger von 1986 zum Plausch mit an die Finishline.

Aber auch nach dem New York City Marathon ist Hermann Achmüller ein begnadeter Tour-Guide, wenn die Erfolge und die Medaille gefeiert werden. Dann geht es zum Beispiel zu einem tollen Frühstück in „Ellen's Stardust Diner“. Dort servieren Broadway Singers musikalisch die nötigen Kalorien. Wer will und kann am Mittag in „Michael Jordan's The Steak House Kraft“ im Restaurant des ehemaligen US-Basketballstars typisch amerikanisch essen.

Geheimtipps in East Village

Zwischendurch geht es zu vielen Geheimtipps in East Village. Das Viertel war bis in die 1960er Jahre ein Teil der Lower East Side. Einst ein Mittelpunkt der New Yorker Subkultur, inzwischen hat sich East Village zu einem populären Szeneviertel entwickelt. Da ist dann der Muskelkater nach dem Marathon endgültig vergessen. Mal sehen, wo Hermann Achmüller dann wieder im November 2018 seine Reisegruppe führen wird.

PETER EHLER und DANA AMARELL

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